Zwischen Radständern und Wechselbeuteln: Ein Helfer über das Leben in der Wechselzone

IMG_3983_CST-2013_(Bildquelle Stefan Hösl) (31)Wer als Zuschauer oder Triathlon-Anfänger das erste Mal in eine Wechselzone schaut, der weiß oft gar nicht, wo er hinsehen soll. Hunderte von Rädern auf engstem Raum, Beutel liegen anscheinend wahllos am Boden und dazwischen wuseln zu allem Überfluss auch noch Sportler und emsige Helfer. Ein Wirrwarr, das mit etwas Routine gar nicht so schwer zu durchschauen ist, meint Stefan Hösl. Und der 23-Jährige muss es wissen. Denn er ist der Leiter der Wechselzonen sowohl beim Chiemsee Triathlon als auch beim Schliersee Alpen Triathlon.Wir haben uns mit Stefan unterhalten.

Stefan Hösl-Bike-2014_(Bildquelle Stefan Hösl)Hallo, Stefan! Wir wollen uns heute einmal eine Wechselzone aus der anderen Richtung ansehen. Nicht als durch-hetzender Sportler, sondern als Planer und Helfer. Was ist aus dieser Perspektive in einer Wechselzone zu beachten?

Stefan: In einer Wechselzone gibt es ein paar Sachen, die man schon bei der Planung beachten muss. Zum einen gibt es hierfür ein genaues Regelwerk vom BTV und der DTU. Des Weiteren ist aber auch keine Wechselzone gleich, jede hat ihre eigenen Besonderheiten.

So muss man dafür sorgen, dass sich der Sportler zu jeder Zeit in der Wechselzone zurechtfindet. Nach dem Schwimmen kommt das Starterfeld meist noch ziemlich im Pulk in die Zone gestürmt. Dort liegt das Augenmerk darauf, dass jeder Sportler gleiche Bedingungen vorfindet. Dies fängt bei der Wechselbeutel-Aufnahme an, geht weiter zur Abgabe und endet erst wieder beim Verlassen der Zone. Der Weg ab dem Zeitpunkt des Betretens der Zone bis zum Verlassen muss für jeden Teilnehmer der gleichen Wettkampfkategorie gleich sein.

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In der Umkleidezone muss man auch beachten dass sich dort zu Spitzenzeiten locker mal 100 Triathleten aufhalten. Somit sollte man hier schon sehr genau planen wie die Laufwege sind, wie sich die Sportler verteilen können, und eine für den Sportler einfach Lösung finden, damit er seine Wechseltüte wieder los wird. Dabei darf er aber keinen anderen Sportler im Weg sein.

Was wird neu in den Wechselzonen beim Sixtus Schliersee Alpen Triathlon und Chiemsee Triathlon sein?

Stefan: Den Chiemsee Triathlon gibt es 2015 in der vierten Ausführung, und ich bin nun zum dritten Mal dabei. Im ersten Jahr 2013 war ich quasi nur Tourist für drei Tage. Da durfte ich erstmals das ganze Unternehmen Chiemsee Triathlon und die wunderbare Landschaft am Bayerischen Meer kennenlernen und war von der ersten Sekunde einfach verliebt in die Region. Die Menschen, mit was für einer Freude man hier empfangen wird, und von der ganzen familiären Stimmung, das hat mich schon sehr beeindruckt!

Bei meinem ersten Einsatz am Chiemsee waren die Wechselständer noch im Halbkreis aufgestellt und die Wechseltüten an Nägel befestigt. Für Swim/Bike/Run gab es nur einen Haken. Hierbei stellte sich sehr schnell heraus, dass das so nächstes Jahr nicht mehr zum Einsatz kommen darf! Es war für die letzten Sportler, milde ausgedrückt, ein richtiges Chaos.
Bei der Nachbesprechung war das natürlich ein Thema und schließlich wurde es zu meiner Aufgabe, mir dafür eine Lösung zu überlegen. In enger Zusammenarbeit mit dem Ausrichter und neu gewonnem Freund kam dann das Konzept 2014 zustande. Die Nägel wurden durch richtige Hacken ersetzt, die Beutel wurden auf zwei getrennte Ständer aufgeteilt, so dass nur noch ein Beutel an einem Hacken hing. Maximal zwei, wenn der Athlet seine Wärmekleidung noch mit dazu hing. Dies sorgte schon für erhebliche Entlastung! Des Weiteren wurde eine sogenannte DropZone – Abgabe Zone für die Wechselbeutel eingeführt. Dies hat den Vorteil, dass die Sportler nicht mehr zurück zu ihren (Aufhänge-) Ständer müssen, sondern direkt beim Umziehen ihre Beutel abgeben können. Von diesem Konzept waren die Sportler allgemein sehr begeistert, weil es einen guten Durchfluss gab und ich selbst war auch sehr zufrieden mit dem ersten Mal.

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Nun zu 2015. Eines steht schon mal fest: Vom Konzept bleiben wir dem von 2014 treu! Selbstverständlich ist aber auch, dass es Verbesserungen geben wird, kein Konzept ist perfekt. Der Abgabebereich wird optimiert, damit die Helfer einfacher und schneller die Beutel aufnehmen können. Des Weiteren werden wir die Wechselzone allgemein ausbauen müssen, damit mehr Radständer Platz haben und wir einen reibungslosen Ablauf gewährleisten können.

Nun zum Sixtus Schliersee Alpen Triathlon 2015. Hier haben wir wieder völlig neue Voraussetzungen. Zum einen haben wir die Besonderheit zweier örtlich getrennter Wechselzonen. Das bietet nochmal eine neue Herausforderung für die Organisation. Die Sportler kommen aus dem Schwimmen auf eine sehr große und weitläufige Wiese, welche sie beim Check-In schon ausführlich besichtigen können. Hier gibt es nur bei dem Einlauf eine kleine Verbesserung. Hier wird entweder der Einlauf vergrößert, damit sich die Teilnehmer auf die Breite besser verteilen, oder am Eingang wird ein Teppich verlegt, der verhindern soll, dass es auf dem Rasen nach dem großen Ansturm rutschig und matschig vom Wasser wird.

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Die zweite Wechselzone wartet dann am Spitzing-Sattel oben. Die Sportler sehen sie erst im Wettkampf das erste Mal. Letztes Jahr haben wir mit drei Helfern abgedeckt, damit die Athleten die richtige Reihe treffen. Im nächsten Jahr wollen wir auf diese Helfer nicht verzichten, doch eine zusätzliche bessere Beschriftung der Reihen haben wir uns vorgenommen.

Was ist eine Wechselzone und was passiert dort genau?

00029185-Moldan-CST-2013_(Bildquelle Marathon Photis)

Stefan: Eine Wechselzone ist das eigentliche Herzstück eines jeden Triathlons. Hier läuft alles zusammen und dabei geht es bei den Profis um jede Sekunde. Aber auch bei den Leistungs- und Hobbytriathleten ist natürlich jeder noch so kleine Handgriff fest einstudiert. Da kann es schon mal zu einer Wissenschaft werden: „Wie hängt man seine Rennmaschine auf den Radständer?“, „Welches Pedal ist vorne?“, „Wo legt man den Helm ab?“, „Wann nimmt man seinen Powerriegel zu sich?“, oder „Ziehe ich jetzt meine Schuhe in der Umkleidezone oder später auf dem Rad an?“.

Im Grunde, und mit dem nötigen Abstand betrachtet, ist eine Wechselzone immer eine echte logistische Meisterleistung. In wenigen Minuten werden mehrere Hundert Sportler auf wenigen Metern vom Schwimmen aufs Rad und anschließend vom Rad zum Laufen befördert.
Dazu kann man die Zone in drei Bereiche aufteilen, die am Wettkampftag reibungslos miteinander arbeiten müssen. Einmal wenn die Sportler die Zone stürmen, der eigentliche Wechselplatz und zum Dritten, wenn die Sportler die Zone wieder verlassen. Diese Bereiche sollten immer gut ersichtlich sein.
Im Wettkampftumult kommt es nämlich auch mal vor, dass durch die Aufregung und den Adrenalinkick, die davor einstudierten Wege vergessen werden und man auf die Ausschilderung der Zone angewiesen ist. Daher ist es für uns so wichtig den Sportler ohne groß nachzudenken einen quasi automatischen Durchlauf zu verschaffen.

Der zweite Punkt ist der Umkleidebereich. Am Chiemsee erweitert mit der neuen Dropzone, die einen noch schnelleren und reibungsloseren Durchlauf gewährleisten soll. Bei den ersten ist es noch relativ ruhig und einfach, auch für uns Helfer. Jeder hat genügend Platz und kann sich in Ruhe umziehen. Doch wenn mal kurz 100 Sportler ihren Neo ausziehen wollen und gleichzeitig mit dem Kopf schon auf dem Rad sind, wird es richtig hektisch in der Zone. Da greift dann wieder die Logistik der Wechselzone, die es jedem Sportler ermöglichen soll, die gleichen Bedingungen vorzufinden, egal ob erster, im Mittelfeld oder Letzter.
Auf dieser Stelle liegt für mich als Verantwortlichem das Hauptaugenmerk. Ist für jeden zu jeder Zeit der Wechselbeutel leicht und vor allem schnell zu finden? Finden unsere Athleten genügend Platz zum Umziehen vor?, und zu guter Letzt, haben sie keinen Zeitverlust bei der Beutelabgabe an der Dropzone? Jeder Zeitverlust, jede Behinderung oder schlecht geplante Laufweg wirkt sich beim Sportler negativ auf die Stimmung aus und, dass ist mein oberstes Ziel, der Athlet soll sich gut fühlen. Reinlaufen, umziehen – und positiv raus!

Als letzten Bereich haben wir den Triathleten selbst und seine Rennmaschine, die schon beim Check-In ordnungsgemäß angebracht wird. Im Wettkampfmodus wird der Sportler aber immer etwas unkoordiniert bleiben.

SAT-2014_(Bildquelle Roland Hindl) (73)

Eine Wechselzone ist also nicht nur einfach ein Bereich, in dem man sich kurz mal umzieht, und danach sein Rad nimmt. Dahinter stehen viele Stunden Planung und jede Menge Helfer, bei denen man sich nicht oft genug bedanken kann. Denn ohne SIE könnten wir diesen wunderbaren Sport gar nicht ausüben. Alleine ist dies unmöglich!

Was wird für eine Wechselzone alles gebraucht?

Stefan: Aus unserem bisherigen Gespräch konnte man ja schon einen kleinen Einblick in eine Wechselzone gewinnen. Natürlich muss diese auch irgendwie auf-, abgebaut und abgesperrt werden. Dazu braucht man in erster Linie viele fleißige freiwillige Helfer! Ohne diese wäre, wie schon erwähnt, so ein Event in dieser Größe nicht umsetzbar.

Chiemsee Triathlon - Kleiderständer (Lebenshilfe)

Am Chiemsee helfen uns immer sehr fleißig die Lebenshilfe und Bewohner, beim Sixtus Schliersee Alpen Triathlon ist der städtische Bauhof sehr auf Zack und weiß uns mit Rat und Tat zu unterstützen. Nicht zu vergessen, der Hermann, dem wir es auch mit zu verdanken haben, dass wir vergangenes Jahr so einen reibungslosen Ablauf beim ersten Mal hatten.

Alleine beim Aufbau der Wechselzone sprechen wir von einer Personenanzahl von ca. 10-15 Personen. Der Aufbau muss dann auch auf einen Tag abgeschlossen sein, weil man sonst die städtischen Parkflächen zu lange belegen würde.
Als erstes steht einmal die Einzäunung der Zone mit Absperrgittern auf dem Programm. Für 14 Rennräder werden eine 6 Meter Metallstange, 3 Holzständer und 14 Beschriftungsaufkleber benötigt. Nun kann man sich ausrechnen was nur für den Radpark an Material aufläuft, wenn dort um die 800 Räder untergebracht sind. Dazu kommen am Chiemsee die Wechselständer mit dem Beutelsystem und der Dropzone. Dazu verlegen wir mehrere Hundert Meter Teppich, weil der Parkplatz nicht komplett geteert ist und in der Umkleidezone kleine Kieselsteine den Untergrund bilden. Des Weiteren kommt eine Check-In/Out-Zone hinzu und die Wettkampfzonen Ein- und Ausläufe.

Werden noch Helfer für die Wechselzone gebraucht und was für Tätigkeiten gibt es dort zu übernehmen?

SAT-2014_(Bildquelle Roland Hindl) (94)Stefan: Helfer werden immer benötigt, egal ob Chiemsee Triathlon oder Sixtus Schliersee Alpen Triathlon. Wir freuen uns, wenn wir schneller fertig sind und weniger schwer tragen müssen. Umso mehr Helfer wir haben, umso weniger muss der Einzelne aufwenden. Die Aufgaben fangen bei ganz einfachen Sachen an wie Teppich ausrollen oder die Bauzäune mit Werbebanner bespannen. Für die kräftigeren Männer heißt es dann, Bauzäune schleppen anstatt Fitnessstudio – und hierbei tut jeder Helfer gut. Das ist aber auch meistens schnell erledigt, da der Bauhof oder nette Anwohner mit schwerer Maschine zur Seite stehen. Die Radständer müssen an ihre Position gebracht werden und beschriftet werden. Zum Schluss müssen die Teppiche noch befestigt werden, damit sie uns über Nacht nicht davonfliegen.
Also man sieht, zu viel Helfer gibt es nicht, vor allem wenn man das ganze zwei Mal auf- und abbauen darf wie am Schliersee.

Wie bist Du zur Wechselszene gekommen?

20130630 - Chiemsee Triathlon - Markus Fachbach - Wechsel [Foto Roland Hindl]

Stefan: Angefangen hat alles am 06.06.2010 mit der ersten Harakiri-Teilnahme an einem Triathlon der Wechselszene. Das war am Steinberger See im Oberpfälzer Seenland. Der Vorstand des Skiclub Schwandorf kam auf mich zu und meinte, ob ich nicht mal einen Triathlon machen wollte. Dass Interesse an dieser Sportart war davor schon vorhanden und da ich auf dem Rennrad daheim war, wollte ich das auch gleich mal ausprobieren.

Der Veranstalter suchte noch fleißig Helfer, somit unterstützten wir die Tage zuvor beim Aufbau und am 06.06.2010 hieß es dann – erster Staffelstart bei einem Triathlon. So lief es dann die nächsten zwei Jahre, nur ohne eigene Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen. 2012 hat man sich dann im Team schon etwas gekannt und ich habe mich immer besser mit dem Veranstalter verstanden. Aus dieser anfangs kleinen Bekanntschaft ist über die folgenden Monate eine richtig gute Freundschaft entstanden und man half sich gegenseitig immer weiter. Bei einem der unzähligen Kaffeetreffen und Spinnereien kam uns dann die Idee, dass ich doch einfach mal zum Chiemsee übers Wochenende dazu kommen soll. Gesagt getan, Freitag nach der Arbeit ins Auto und ab ans Bayerische Meer. Das war dann eigentlich der Startschuss unserer weiteren und engeren Zusammenarbeit. Doch ich finde den Begriff „Arbeit“ hier nicht so passend, da ich mich jedes Jahr riesig auf die Wochen mit dem Team freue. Aus den 2 ½ Tagen anfangs sind jetzt auch schon acht Tage Chieming geworden. Was ich auch sehr schätze, ist einfach der familiäre Umgang in der Wechselszene, man fühlt sich immer willkommen und wohl.

Die Wechselzone am Chiemsee betreue ich jetzt seit 2013, da war es eher noch ein learning by doing und mit reinschnuppern. Somit kann man hier noch nicht ganz von betreuen sprechen. Richtig eingestiegen bin ich somit erst bei der dritten Auflage 2014.

Die Wechselszene bedankt sich bei Stefan und bei allen freiwilligen Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz! Ohne euch wäre das alles nicht möglich! Danke!

Fotos: Christian Pfitzner, Stefan Hösl, Roland Hindl