Sa Calobra: Bergzeitfahren mit phänomenalem Ausblick
Die Wintermonate sind für uns Triathleten trainingstechnisch die wichtigsten Monate. Da es in dieser Zeit keine Wettkämpfe gibt, besteht hier über 12 oder 16 Wochen die Möglichkeit, „ungestört“ am Aufbau der Form zu arbeiten. Wenn es dann in die Wettkampfsaison geht, liegt das Augenmerk auf den Rennen selbst und es geht mehr darum, die Form von Wettkampf zu Wettkampf zu bewahren. Schwierig genug…
Mallorcas Anstiege in Zahlen
Das teamTBB Germany war demzufolge schon im Dezember für drei Wochen zum Camp in Mallorca. Da viele von Euch auch dort hinfahren werden, gebe ich Euch anbei ein paar Daten, mit denen ihr Eure Leistung direkt mit der anderer vergleichen könnt. Anstiege eignen sich hierzu perfekt, da Faktoren wie Wetter und Wind, die im Flachen die Leistung stark beeinflussen, vernachlässigt werden können.
Es gibt einige schöne Anstiege auf der Insel: Puig de Randa bei Llucmajor (542 HM, 6,3%), Puig de Sant Salvador bei Felanitx (509 HM, 7,3%) und dann im Gebirge die zwei Straßen raus aus Soller (Puig Major 880 HM, 6,1%, und Coll de Soller 496 HM, 7,3%) den Aufstieg von Selva zur Tankstelle (Coll de Sa Bataia, 579 HM, 3,9%), Port de Valldemossa (365 HM, 7,4%) und vor allen Dingen Sa Calobra (728 HM, 7,0%).
Sa Calobra ist ein Phänomen für sich und vielleicht das größte Kunstwerk in Europa. Denn ohne ersichtlichen praktischen Zweck führt eine atemberaubende Straße vom Col dels Reis runter zum Meer. Man würde erwarten, dass unten zumindest ein Dorf ist, oder angesichts der Breite der Straße eine größere Stadt.
Doch Sa Calobra besteht nur aus 3 Touri-Wirtshäusern, mehr nicht. Deren Umsatz wird kaum die Kosten und Mühen für den Bau einer solch enormen Straße aufwiegen. Wie dem auch sei, für einen Radfahrer ist dies die faszinierendste Sackgasse der Welt! Schon die Einfahrt beginnt mit einer phänomenalen Schleife, einer offenen Acht.
Von da an führt die Straße mit zahlreichen Windungen, Geraden und Kurven hinunter nach Sa Calobra, angeschmiegt an Berghänge, an Felsen vorbei, um Felsen herum, immer wieder mit grandiosen Ausblicken aufs Meer oder das gewundene Band der Straße weiter unten.
Kaum unten, gehts schon wieder hinauf
Unten lädt leider nicht viel zum Verweilen ein, man kann nur die Windjacken ausziehen, eine winzige Schleife fahren und sich an den Aufstieg zurück machen.
Aber da fängt der Spaß dann wirklich an: 9,6 km, 667 HM bei durchschnittlich 7% Steigung, keine wirkliche flache Stelle, perfekt für ein Bergzeitfahren und um sich so richtig eine rein zu hauen.
So schnell fährt das Team TBB
Für uns stand dieses Bergzeitfahren am Ende des dreiwöchigen Trainingslagers an, mitten in einer sechsstündigen Tour (3h Anreise vom gegenüberliegenden Rand der Insel). Nicht ganz optimal vielleicht, aber auch nicht schlimm.
Meine Zeit (schnellster Mann an dem Tag) war 31:16 min bei einer Durschschnittsleistung von 329 Watt (4,6 Watt/kg KG). Dianas Zeit (schnellste Frau an dem Tag) war 37:40 min. Beides sind für Traithleten ganz gute Zeiten und es wird Euch nicht so einfach fallen, das zu toppen. Probiert es ruhig mal!
Und wie sieht es bei den Radfahrern aus?
Trotzdem fahren die Radspezialisten da deutlich schneller hoch, der Rekord wird so um die 24 Minuten liegen (6Watt/kg KG). Ich habe mal berechnet (anaylticcycling.com), was ich treten müsste um da so schnell hoch zu kommen und einige interessante Feststellungen gemacht.
- 10 Watt mehr Durchschnittsleistung bedeutet einen Zeitgewinn von ca. 1:10 min über diese Strecke
- Mit unverändertem Gewicht müsste ich 450 Watt treten, um in 24min hoch zu kommen, das wären 6,3 Watt/kg KG und da hätte selbst der weltbeste Radfaherer (wer immer das auch zur Zeit sein mag) Probleme, eine solche Leistung aufzubringen
- Also Abnehmen! Wenn ich mich und das Rad um insgesamt 8kg abspecke (was so das Maximum ist, was geht) hätte ich bei gleicher Leistung (330W) knapp über 28min gebraucht. Schon besser.
- Wenn ich mit diesem reduzierten Gewicht 24min fahren wollte, müsste ich immer noch knapp über 400W im Durchschnitt treten. Aber das Watt/Gewicht-Verhältnis liegt dann bei 6,1 Watt/kg KG, was für einen Top-Radfahrer so gerade machbar sein könnte.
Wenn man sich die Datei der Fahrt ansieht fällt auf, dass ich die ersten 5 Minuten etwas zu unruhig gefahren bin und dann nie nächsten 15 Minuten etwas über meinen Möglichkeiten (350 Watt). Nach 20 Minuten fällt dann die Leistung relativ stark ab, auch die Tretfrequenz, und ich bin die letzten 11 Minuten nur noch ca. 310 Watt im Schnitt gefahren und zudem wieder recht unruhig.
Da gerade der letzte Teil der etwas steilere ist, wäre es vom Zeitgewinn her entscheidend gewesen, hier mehr Watt zu treten. Ich aber hatte mein Pulver schon etwas weiter unten verschossen, wo 10W mehr nicht so viel Zeitgewinn bringen wie am steileren Stück.
Wäre ich die Sache etwas ruhiger und kontrollierter angegangen, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich 340 Watt über die gesamte Strecke hätte fahren können (und damit unter 30 min geblieben wäre). Wenn man auch nur minimal über seiner Schwelle fährt (10 Watt kann man nicht „erspüren“), führt dies 100% zu Übersäuerung und Leistungsabfall. Das zeigt wieder, wie wichtig eine Leistungsmessung mit genauen Vorgaben bei so einem Zeitfahren sein kann.
So weit, so gut. Beim nächsten Mal fallen die 30 Minuten!
Knackt jemand Tony Martins Bestzeit?
Für alle, die nicht erst 2h ins Gebirge fahren wollen, um sich zu testen, anbei einige Richtwerte für den Anstieg nach Sant Salvador, die mir ein ortsansässiger Radmechaniker verraten hat: Tony Martin hat bisher die schnellste Zeit mit 11:37 min. Linus Gerdemann knapp über 12 min, Marcel Wüst in seiner aktiven Zeit als Radprofi 13:30 min, jetzt (immer noch aktiv, aber nicht mehr als Profi) braucht er 15:30 min. Und ich kann da momentan in knapp über 14 min hoch fahren.
Vielleicht sehen wir uns ja im nächsten Camp. Falls nicht, könnt ihr trotzdem gegen mich fahren ;-)
Train safe!
Jo