Josephs Blog: Tour d’Europe

Foto: Joseph Spindler, einmaligIn den letzten sechs Wochen waren wir in Europa unterwegs. Da in Tölz die Schwimmhalle im August geschlossen war, haben wir zunächst ein paar Wochen in Jena trainiert. Vor Ort konnten wir in einem 50 Meter-Freibad schwimmen. Zudem hätte ich nicht erwartet, dass das Radfahren und Laufen dort so hart ist. Zwar keine langen Steigungen, dafür extrem wellige Strecken, kurze steile Anstiege. Und am Ende der Ausfahrt standen mehr Höhenmeter auf dem Tacho als im bayrischen Voralpenland. Zudem die Nähe von Weimar, Goethe, Schiller, die Wartburg. Und auf meinem Zeitfahrrad durch die Gegend sausend, kam ich mir ein bisschen vor wie die moderne Ausgabe eines Goethe’schen Erlkönigs (oder Werthers – je nachdem).

Von Jena aus ging es mit dem Auto weiter nach Frankreich. Vichy. Europameisterschaft. Quer durch ganz Deutschland, mit einem kurzen Stopp in Baden-Württemberg für eine Schwimmeinheit. Anderer Dialekt, andere Mentalität.

Dann Frankreich, wunderschöne Landschaft. Deutlich weniger Verkehr. Wesentlich angenehmeres, stessfreieres Fahren. Endlich in Vichy, eine schöne Stadt, südländisches Flair und der Charme einer einst wohl wesentlich belebteren Sommerresidenz des französischen Königshauses. Überall sanft gewellte Weite.

Angenehmes laissez-faire

Foto: Joseph Spindler, einmaligDas Lebensgefühl in Vichy kam mir sehr entgegen. Ein gewisses laissez-faire, alles beginnt mit Verzögerung (was mir natürlich sehr entgegen kam), zu spät zu kommen ist eigentlich gar nicht möglich. Überall schick gekleidete (auch die Männer!), gut gelaunte Menschen. Sonne im Café, gutes Essen. Die Melodik der französischen Sprache. Genuss, gemeinsame Mahlzeiten, Lebensfreude scheinen weit höher geschätzt als im dunkleren Deutschland.

Next stop: Wales

Dann weiter nach Wales. Zum Ironman. Wir machten einen kurzen Stopp in Fontainebleau, wo wir das Schloss besichtigten, die enormen Parkanlagen. Und die Sonne genossen. Ein letztes Mal, bevor es ins neblige England ging.

Zuvor Calais. Hafenstadt. Überfahrt mit der Fähre. Dover. Dann, in England, ein enormer Verkehr, verstopfte Autobahnen. Und alles immer auf der falschen Straßenseite. Alles enger, gedrängter, grauer als im französischen Süden. Endlich die Burg von Cardiff. Wehrhaft.

Foto: Joseph Spindler, einmaligWales dann wunderschön. Saftig grün. Ein enorm wandlungsfreudiger Himmel, auf dem Sonne und Wolken und tiefes Blau immer neue Gemälde zeichnen. Übermannshohe Hecken als Schutz vor dem Wind. Wellig wie in Thüringer Wald, zahllose kurze, giftige Anstiege. Tenby selbst ein romantisches Städtchen mit Burgruine. Freundliche, offene, hilfsbereite Menschen überall. Ein phänomenaler Homestay in einem georgianischen Landhaus. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Reise nicht nur nach Norden, sondern auch 20 Jahre zurück in der Zeit.

Rennen ohne Happy End

Ein harter, verregneter Wettkampf. (Bei dem ich leider gestürzt bin; damit hatte das Unternehmen 2 Langdistanzen in 8 Tagen leider kein Happyend.) Dann wieder zurück. Quer durch Wales, quer durch England. Im Stress diesmal, da hier das Diktat nordischer Pünktlichkeit herrscht, gerade was die Fähren betrifft. Kein laissez-faire mehr wie im französischen Süden und unproblematisches Zu-spät-kommen.

Foto: Joseph Spindler, einmaligDann die längste Fahrt. Durch Frankreichs Norden, durch Belgien, die Niederlande. Alles Flach, überall Regen. Endlich wieder in Deutschland. Durch den Ruhrpott mit 80. Endlich: Die Wartburg auf ihrem Thron, Thüringens Burgen. Jena. Dort ein Tag Verschnaufpause, packen und weiter zurück nach Bad Tölz – wo uns gleich kaltes Wetter empfing. Seit wir hier sind regnet es und es ist kalt. Auf den Bergen der erste Schnee…

Weltenbummler

Mehr als 6000km durch Europa in sechs Wochen. Zahllose Eindrücke, verschiedene Kulturen, Lebenseinstellungen. Wir durften so viele nette Menschen kennen lernen.

Immer dabei: Wolfgang Herrndorfs „Tschick“. Auch ein moderner Werther (oder Erlkönig – je nachdem). Zwar reisen Maik und Tschick nicht durch ganz Europa, sondern eher ziellos durch Brandenburg; auch haben wir unseren Wagen gemietet und nicht wie sie gestohlen; aber das Lebensgefühl ist ähnlich: Die Freiheit, die Grenzenlosigkeit, das Abenteuer. Und auch das Ende dieser zwei so unterschiedlich gleichen Roadmovies ist identisch: beide enden im Pool. Während wir eine kurze Schwimmeinheit machen, springt Maik mit ein paar Möbeln und seiner Mutter in den Pool. Weil, man kann zwar nicht ewig die Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.

Triathlon ist nicht nur eine Sportart – sondern wohl auch die schönste Art zu Reisen.

See you at the races!

Jo