„Jo Spindlers Blog: Back to the Roots – aber nicht 32 Jahre zurück! „
Diese Woche hat zwei Ereignisse gebracht, die einer kritischen Betrachtung bedürfen.
Zum einen hat Ironman die Challenge-Rennen Kraichgau und Rügen gekauft – und den Cheforganisator Björn Steinmetz gleich mit dazu.
Zum anderen fand der Ironman Florida mit einem Starterfeld von 118 (gemeldeten) Profis statt – also 38 Profiathleten mehr als auf Hawaii; und das, obwohl es eines der Rennen mit dem geringsten Preisgeld im Ironman-Zirkus ist
Aber der Reihe nach:
Die Übernahme von weiteren Challenge-Rennen (nach Kopenhagen und Aarhus im Sommer) finde ich deshalb kritisch, weil damit die WTC ihre Monopolstellung weiter ausbaut. Und kurz gesagt: Monopole sind immer nur für denjenigen gut, der das Monopol besitzt (in dem Fall die Investment-Gesellschaft Providence Equity Partners).
Muss das einen Athlet kümmern, solange die Gegenleistung, die Organisation des Rennens, stimmt? Ich finde schon: Jeder sollte sich die Frage stellen, warum er Triathlon macht und wohin der Sport sich entwickeln sollte. Zu einem voll durch-kommerzialsierten Großereignis, das die Teilnehmer mit immer höheren Startgeldern ausbeutet und die vielen Helfer sowieso? (Die meisten Helfer denken wirklich, dass ihre freiwillige Unterstützung einer Art Non-Profit-Organisation zu Hilfe kommt. Dass jemand aus ihrer Arbeit, die nicht bezahlt wird, einen Gewinn macht, ist ihnen nicht bewusst! Und vielen, denen man es sagt, glauben es nicht oder sind empört darüber.)
Sehe ich einen „Kampf“ Challenge gegen „Ironman“? Eigentlich nicht. Höchstens ist es ein sehr ungleicher Kampf David gegen Goliath. Letztendlich wäre ein Kampf schon allein aufgrund des schieren Größenunterschiedes zwischen Challenge und WTC ein aussichtsloses Unterfangen. Und davon unabhängig: Beide leben vom gleichen Mythos. Beide haben letztendlich das gleiche Geschäftsmodell.
Vielmehr geht es mir um den Idealismus, die ganze Leidenschaft, die sowohl Athleten als auch Helfer einbringen. Diese Leidenschaft will ich erhalten und nicht durch die Monopolstellung eines einzelnen Anbieters ausgebeutet wissen. (Ich will sie auch nicht von vielen verschiedenen Anbietern ausgebeutet wissen. Diversität an sich ist noch nicht automatisch „gut“!)
Die ersten, die diese Monopolstellung (oder den Wunsch nach einer Monopolstellung) der WTC zu spüren bekommen, sind die teilnehmenden Athleten (höhere Startgebühren) und die „Profi-Athleten“ (geringere Preisgelder). (Profi-Triathleten deshalb in Anführungszeichen, weil kaum einer, der sich „Profi-Triathlet“ nennt, auch von seinem Sport leben kann. Die meisten Profi-Triathleten sind bessere Age-Group-Athleten. Leben wie diese und machen den Sport als Hobby. Leben müssen und können sie davon nicht.)
Beispiele gefällig? Während Anmeldegebühren UND Teilnehmerzahlen seit der „Erfindung“ des Triathlons 1979 Jahren stetig gestiegen sind, verringern sich die ausgeschütteten Preisgelder seit etwa 10 Jahren stetig. Und hier sind wir beim Ironman Florida:
In den ersten Jahren der Austragung des Rennens gab es ein Preisgeld von insgesamt US$ 50.000 für die besten 10 (später 8) Männer und Frauen (ausgenommen die erste Austragung, da gab es gar kein Preisgeld). Heute dagegen beträgt das Preisgeld insgesamt US$ 25.000 und es werden nur noch die jeweils besten 6 Athleten bezahlt. Das ist eine Reduktion von deutlich mehr als 50%, wenn man die Inflationsrate mit einrechnet!
Man kann es auch anders ausdrücken: Vom eingenommenen Startgeld in Florida schüttet die WTC ganze 1,3% (!) als Preisgeld an die Profis aus. Darüber hinaus gibt es neben dem Startgeld aber natürlich noch andere Einnahmen für den Veranstalter, wie beispielsweise offizielle (und inoffizielle) Sponsoren. Insgesamt beträgt der Umsatz einer Veranstaltung wie des Ironman Floridas ca. US$ 3,5 – 4 Mio. US$ 25.000 davon werden als Preisgeld ausgeschüttet. Das ist weniger als 1%, die Rechnung kann jeder selber machen.
Oder noch einmal anders: Während sich die Einnahmen allein aus dem Startgeld ver-6-facht (!) haben (ca. 3x mehr Starter und zugleich 2x höheres Startgeld), hat sich das Preisgeld mehr als halbiert – bei (unter Einbeziehung der Inflation) höchstens doppelten Nettokosten für die Durchführung des Rennens.
Warum dann in aller Welt starten so viele Profis bei einem so schlecht bezahlten Rennen? (Übertragen auf den Fußball hieße das ungefähr, dass 22 Spieler auf dem Platz stehen, aber nur 2 bezahlt würden. Der Rest bekommt nicht nur kein Gehalt, sondern muss Trainier, Material und auch Platzbenutzungsgebühren selbst aufbringen. Glaubt irgendjemand, dass irgendein Fußballprofi unter solchen Bedingungen auch nur einen Schritt machen würde?)
Der Grund ist, dass mit dem Qualifikationsmodus für Hawaii über ein Punktesystem (Kona Pro Ranking) ein Instrument eingeführt wurde, das letztendlich Preisgeld durch Punkte ersetzt: Wer nach Hawaii will, muss genügend Punkte haben und ist damit gezwungen, Ironman-Rennen zu machen – ob nun Preisgeld gezahlt wird, oder nicht. Dieses Vorgehen steigert den Gewinn der WTC indem es das ausgeschüttete Preisgeld reduziert.
Dass diese Strategie funktioniert, zeigt in fataler Weise das Starterfeld beim Ironman Florida. Aus Sicht der Profis, ein denkbar schlechtes Signal an die WTC!
Denkt man nämlich die hier skizzierte Entwicklung weiter, bekommen wir folgendes Zukunfts-Szenario:
Die WTC reduziert das Preisgeld weiter. 2015 wird bei allen Rennen nur noch bis maximal zum 5ten Platz Preisgeld ausgeschüttet, 2017 wird bei den Qualifikationsrennen gar kein Preisgeld mehr ausgeschüttet. Dafür aber wird in Hawaii bis zum 20ten Platz bezahlt und der Sieger erhält 3x so viel wie 2013.
Zudem bietet die WTC den Top-Leuten Verträge an, nur noch exklusiv bei Ironman-Rennen an den Start zu gehen. Zugleich werden Profis, die bei Konkurrenzveranstaltern starten (Challenge, Rev3 etc.) benachteiligt, indem sie keine Antrittsgelder oder Unterkunft erhalten. Ab 2017 werden alle Profis von Ironman-Rennen ausgeschlossen, die in der zurückliegenden Saison ein Rennen bei einem Konkurrenzveranstalter gemacht haben.
Für die Altersklassen-Athleten hingegen steigen die Startgebühren weiter. Zugleich steigen die Teilnehmerzahlen in einem Maße, dass Windschattenfahren kaum vermeidbar, sondern die Regel wird. Auch für die Altersklassen-Athleten wird ein Qualifikationssystem für die WM auf Hawaii eingeführt. – Und natürlich muss jeder Athlet ab 2015 für sein Ironman-Tattoo eine einmalige Lizenzgebühr an die WTC zahlen.
Noch haben die Athleten die Wahl, zwischen verschiedenen Veranstaltungen zu wählen. Wem das Verhalten oder der Service eines Veranstalters nicht passt, der startet eben bei anderen Veranstaltungen, die ihm mehr zusagen. Aber je größer das Monopol der WTC auf Triathlon-Veranstaltungen wird, umso kleiner wird diese Möglichkeit. Am Ende steht nicht mehr die Wahl zwischen verschiedenen Veranstaltungen, sondern nur noch zwischen Rennen der WTC oder mit dem Triathlon aufzuhören. Wollen wir das?
Versteht mich nicht falsch: Ich bin nicht gegen Ironman!
Ironman ist eine der coolsten Marken überhaupt. Eine Marke, die eine ungeheure Faszination ausübt. Aber ich sehe bestimmte Entwicklungen im Geschäftsgebaren der WTC eher mit Besorgnis.
Ich sehe, wie junge Athleten wöchentlich 30 Stunden und mehr trainieren, ihre Zeit, ihre sozialen Kontakte, ihre Ersparnisse opfern, um ihren Traum vom Profi-Triathlon zu verwirklichen. Es ist eine Entscheidung aus Leidenschaft und Idealismus – finanziell gesehen ist es ein Himmelfahrtskommando!
Hier sehe ich die Veranstalter in der Pflicht, ein Umfeld zu schaffen, dass diesen Athleten ein Mindestmaß an finanzieller Sicherheit gibt. Sie sollen die Profis nicht bezahlen. Aber sie sollen ein faires Preisgeld ausschütten. Vor allem sollen sie nicht ausschließlich im Sinne ihrer eigenen Gewinnmaximierung auf Kosten der Athleten handeln, sondern vor allem eine Plattform schaffen, die den Sport populärer, interessanter für die Medien und damit attraktiver für Sponsoren macht. Letztendlich käme das allen zu Gute.
Genauso sehe ich übrigens die Top-Athleten unseres Sports in der Pflicht, ihren Teil zu einer solchen Entwicklung beizutragen und den Einfluss, den sie für eine kurze Zeit ihrer Karriere haben, für eine solche Entwicklung geltend zu machen.
Ironman hat vor 32 Jahren mit einer verrückten Idee einer Handvoll Athleten begonnen. Ohne Startgeld, ohne komisch aussehendes Aero-Material. War es ein Rennen? Wahrscheinlich war es eher kein Rennen. Wer gewinnen würde, stand nicht im Vordergrund. Eigentlich ging es mehr darum, ob man so eine Leistung überhaupt vollbringen könnte. Es ging um die ultimative Herausforderung. Ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Es ging darum, sich seinen Grenzen und Ängsten zu stellen. Es ging darum, über sich selbst zu triumphieren, über sich hinauszuwachsen.
I against me: Sich immer neu selbst herauszufordern, der Kampf gegen die eigenen Beschränkungen: Das ist das eigentliche Faszinosum, die treibende Kraft am Ironman. Die Idee hinter dem Begriff, die die Marke übersteigt.
Ich will nicht, dass eine Sportart, die wie keine andere aus dem Kampf gegen die eigenen Grenzen und Beschränkungen lebt, sich weitestgehend von einer einzigen Organisation beherrschen und einschränken lässt.
Ich will nicht, dass die Teilnahme am Ironman nur ein Privileg der Reichen ist.
Ich will nicht, dass die Teilnahme am Rennen in Hawaii nur ein Privileg der Reichen und Schnellen ist.
In diesem Sinne: Back to he roots! – aber nicht 32 Jahre zurück.
Jo
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Jo Spindler ist Triathlon-Profi und seit 2011 Headcoach des teamTBB Germany. Er konnte in seiner Karriere 5 Langdistanzrennen gewinnen. Als Coach wurde Jo von der Trainerlegende Brett Sutton ausgebildet. Jo trainiert Athleten aller Leistungsklassen. Homepage und Kontakt: www.jospindler.com