Jo Spindlers Blog: Courage!

Neben einigen Profis betreue ich auch zahlreiche Altersklassenathleten, bereite sie auf ihre Rennen vor und helfe ihnen, ihre Ziele zu erreichen. Schon die ersten Rennen in dieser Saison (70.3 Mallorca, Half-Challenge Barcelona) brachten ziemlich gute Ergebnisse.

Für einen dieser Athleten stand als erster Wettkampf die Halbdistanz in Barcelona auf dem Programm. Nicht nur war es seine erste Halbdistanz in dieser Saison, es war auch seine erste Halbdistanz überhaupt.
Intensiv war daher die Vorbereitung, gerade auch was das Material, die Ernährung vor und während des Wettkampfes und die Einteilung des Rennens betraf. Als wir zum letzten Mal vor seiner Abreise nach Barcelona telefonierten, hatte ich ein ganz gutes Gefühl und war mir ziemlich sicher, dass wir alle wichtigen Dinge durchgesprochen hatten. – Und dann war das Rennen doch ganz anders als geplant…

Während des Schwimmens bemerkte Stefan beim Luftholen einen anderen Schwimmer, der gestikulierte und schrie und offenbar große Probleme hatte, sich über Wasser zu halten. Er und ein anderer Schwimmer stoppten, mitten im Meer, und riefen, ob alles ok sei. Aber es war nichts ok und der Schwimmer ging immer wieder wild gestikulierend unter. Also schwammen sie zu ihm hin, nahmen ihn in den Rettungsgriff und versuchten die Rettungsboote auf sich aufmerksam zu machen. Aber alles Winken und Rufen half nichts, mitten im Feld wurden sie nicht von den Rettungsbooten wahrgenommen. Endlich verfielen sie auf die Idee, andere Schwimmer anzuhalten. Dadurch bildete sich eine Traube aus nicht schwimmenden, winkenden, rufenden Triathleten, die dann endlich auch die Aufmerksamkeit der Rettungskräfte erregte.

Der Wechsel zum Rad verlief problemlos und Stefan versuchte dann, die im Wasser verlorene Zeit wieder aufzuholen. Wurde aber von einem platten Reifen gestoppt. Den geflickt und wieder aufs Rad. Bis zum nächsten Zwischenfall: Auf einer der schweren Abfahrten stürzt direkt vor ihm ein Athlet. Auch hier stoppte er, übernahm die Notversorgung des schwer verletzten Athleten und wartete, bis Helfer die Ambulanz verständigten und diese die Betreuung übernahm.

Der Rest des Wettkampfes verlief dann „normal“ und wie das beim ersten Mal auf einer längeren Distanz ist: einen Tick zu schnell los zu laufen und hinten raus dann ein bisschen Krachen gehen ;-).

Als ich Stefans Rennbericht gehörte, habe ich nicht schlecht gestaunt. Und mich auch gefragt, ob ich selber angehalten hätte. Oder wäre ich so im Rennfieber gewesen, dass ich den Schwimmer überhaupt nicht wahrgenommen hätte? Und wenn ich ihn gesehen hätte: Wäre ich hin geschwommen? – Oder nur mit meinen Zielen und Zeiten beschäftigt gewesen? Und beim Radsturz: Hätte ich gehalten und geholfen – oder die Situation „über-sehen“ und mich nur darauf konzentriert, keine Sekunde zu verlieren?

Auf der Jagd nach persönlichen Bestleistungen und Platzierungen neigen wir Triathleten gern dazu, die Wichtigkeit von Ergebnissen und Wettkampfzeiten zu überschätzen.

Bei Stefan möchte ich mich bedanken! Auf dem Papier steht eine (vermeintlich) langsame Zeit. Aber Zeiten und Platzierungen sind nicht alles.

Und manchmal gibt es auch andere Sieger, als jene, die am Ende auf dem Treppchen stehen!

Chapeau!
Jo