Jo Spindlers Blog: „Dopers suck!“

„Der Ironman 70.3 Mallorca war ein spannendes und zugleich nicht unumstrittenes Rennen. Bei vielen Triathleten und auf vielen Internetforen hat die Tatsache, dass mit Lisa Hütthaler und Antonio Colom zwei wegen Dopings überführte Athleten vordere Plätze belegten, zu einem regelrechten Aufschrei geführt.“ Das schreibt Jo Spindler in seinem neuesten Blog-Eintrag.

„Auf einige Aspekte in dieser Diskussion möchte ich näher eingehen.

1) Generell gibt es eine klare Position der aktiven Athleten: Wir wollen keine Doper in unserem Sport haben. Wir wollen nicht gemeinsam mit dopenden Athleten starten und wir lehnen es sogar ab uns mit Athleten zu duellieren, die in der Vergangenheit des Dopings überführt worden sind. Diese Haltung wurde nicht nur im aktuellen Fall Hütthaler/Colom zum Ausdruck gebracht, sondern ebenfalls schon bei früheren Fällen (u.a. Hannes Hempel, Michi Weiss, Nina Kraft und natürlich – in allen seinen Facetten – Lance Drugstrong). Zudem zeigt diese klare Stellungnahme, dass Triathlon anders ist als beispielsweise der Radsport, wo es völlig normal war, dass Dopingsünder wieder zurückgekommen sind ins Renngeschehen; ja wo mediengeile und korrupte Funktionäre ihre Stars regelrecht wieder in den Sattel gehoben haben, um Einschaltquoten und Geld zu generieren. Triathleten sind da mutiger und konsequenter – und ich hoffe, unsere Verbände und Veranstalter hören auf ihre Athleten!   2) Bei Lisa Hütthaler ist der Tenor der Aussagen: Wir wollen keine überführte Doperin am Start haben.

3) Bei Antonio Colom hat die Argumentation zwei Stoßrichtungen: Zum einen wollen die Athleten keinen überführten Doper am Start haben. Zum anderen ist Colom als Altersklassen-Athlet gestartet. Als ehemaliger Radprofi (und Triathlon-Neuprofi) gehört er da nicht hin. Es ist ein ungleicher Vergleich als Profi in einer Gruppe mit Athleten zu starten, die einem normalen Job nachgehen und Triathlon als ihr Hobby machen. Das ist respektlos gegenüber der Leistung dieser Athleten. Und die Empörung finde ich gerechtfertigt.

4) Die klare Aussage, keine überführten Doper am Start haben zu wollen, wird auf zwei Weisen ausgelegt: Einige unterstellen letztendlich, dass Hütthaler und Colom immer noch dopten und ihre guten Platzierungen nur deswegen erreicht hätten. Dies muss aber nicht so sein (obwohl es bei Lisa Hütthaler tatsächlich einen gewissen Beigeschmack hat, darauf komme ich noch): Nur weil ein Athlet einmal gedopt hat, heißt es nicht, dass er immer noch dopt. Solange hier nicht das Gegenteil bewiesen ist, darf und kann man ihnen nicht unterstellen, dass sie ihre Plätze mit unfairen Mitteln erreicht hätten. Denn gemäß dieser Logik müsste man alle guten Leistungen unter Generalverdacht stellen. Der Gedankengang geht so: Wenn Colom als gedopter Athlet „nur“ Vierter war, müssen die Athleten ja vor ihm erst recht gedopt sein. Und die nach ihm waren ja fast genau so schnell…

6) Trotzdem ist zweitens die Ablehnung ehemals nachweislich gedopter Athleten eine klare und an Deutlichkeit kaum zu übertreffende Aussage: Denn es bedeutet nichts anderes, als dass die Athleten a) noch an einen sauberen Sport glauben und b) ihn verteidigen! Alle Sportverbände und Anti-Dopingorganisationen sollten an dieser Haltung ihren Kampf gegen Doping ausrichten: Indem sie nämlich zeitlich befristete Sperren abschaffen. Jeder positive Dopingbefund sollte sofort zu einer lebenslangen Sperre des Athleten sowohl als Profi als auch als Altersklassenathlet führen. Punkt. Es gibt eben KEINE zweite Chance für Doper. Wir wollen einen sauberen Sport – nicht einen halbsauberen Zweite-Chance-Sport!

7) Das Comeback von Lisa Hütthaler ist aufgrund ihrer Aussagen im Jahr 2009 (Spiegel Interview und Blickpunkt Sport, BR) besonders prekär:

Zum einen behauptete sie damals, dass Spitzenleistungen ohne Doping nicht möglich seien.

HÜTTHALER: Die Weltspitze dopt, wenn du das werden willst musst du das machen. Augen zu und durch. Das ist einfach so.“ (BR)  HÜTTHAER: „Doping ist das Pünktchen auf dem ‚i’. Es gibt dir nochmal den letzten Schritt.“ (BR)

SPIEGEL: „Im Juni 2007 wurden Sie österreichische Triathlon-Staatsmeisterin. Konnten Sie Ihren Triumph mit ruhigem Gewissen feiern?“ HÜTTHALER: „Für mich war das eine Frage der Gleichberechtigung. Du weißt, dass es die anderen machen und willst die gleiche Erfolgschance haben. Ich entwickelte einen Blick dafür, welche meiner Konkurrentinnen welches Mittel genommen hat.“

Und außerdem gibt sie zu, dass sie weiter dopen würde, wenn sie nicht erwischt worden wäre.

STADLER: „Wenn sie nicht erwischt worden wäre, würde sie weiterhin so fortfahren.“ HÜTTHALER: „Natürlich!“ (BR)

Aufgrund dieser Aussagen erscheint ihr Comeback und auch ihr Sieg in Mallorca zumindest in einem sehr zwiespältigen Licht: Wie in 4) gezeigt, darf man ihr nicht unterstellen sie sei gedopt. Andererseits muss sie sich schon fragen lassen, warum sie jetzt gewinnen kann, ohne Doping, wenn sie vorher so felsenfest behauptet hat, dass genau das nicht möglich sei, weil „die Weltspitze dopt“ und „du das machen musst“. „Du weißt, dass es die anderen machen und willst die gleiche Erfolgschance haben.“ (SPIEGEL) Verschärfend kommt hinzu, dass sie zugibt, weiterhin zu dopen, wäre sie nicht erwischt worden. Wie soll man aber vor diesem Hintergrund glauben, dass sie es jetzt nicht tut?

Die Aussagen von geständigen Dopern erinnern oft stark an Berichte von Drogensüchtigen. Es gibt so viele Doper, die mehrfach positiv getestet wurden (u.a. Hannes Hempel), dass es vielen Athleten nur schwer möglich ist, von einem Athleten, der schon einmal gedopt hat, zu glauben, er würde das jetzt nicht mehr tun.

Gerade im Licht ihrer Aussagen in oben zitierten Interviews hätte Lisa Hütthaler besser daran getan, nicht wieder in den Sport zurück zu kehren. Aus Respekt vor dem Sport, aus Respekt vor den Athleten, die nicht dopen, und auch um der Glaubwürdigkeit willen – der des Sports und ihrer eigenen insbesondere.

8) Die Empörung der Athleten zeigt, dass es im Triathlon nicht eigentlich um schnelle Zeiten und Rekorde geht. Die Idee, das Herz, die Seele des Triathlons ist nicht, ob man etwas möglichst SCHNELL bewältigen kann, sondern ob man etwas ÜBERHAUPT bewältigen kann. Die extreme Herausforderung, das Unabwägbare, Verrückte, das Abenteuer. Der Mut, sich einer Prüfung auszusetzen, von der man nicht weiß, ob man sie bestehen wird: Das ist die Grundidee des Triathlons, das Faszinosum des IRONMANS. Der gedopte Athlet weiß nichts mehr davon. Ihm geht es allein um die Zeit, um Anerkennung, um Geld. Ihm geht es um das Ergebnis, nicht um seine Leistung. Damit aber verrät er den Ursprung unseres Sports. Das spüren die Athleten. Und darum lehnen sie Doper ab.

9) Ich will hier auch klar festhalten, dass ich trotz aller Dopingberichte und –spekulationen glaube, dass man im Triathlon noch ungedopt Weltmeister werden kann. Ich glaube nicht, dass alle Triathlon-Weltmeister sauber waren. Aber genau so wenig glaube ich, dass alle Triathlon-Weltmeister gedopt waren! Und ich glaube auch, dass Zeiten unter 8 Stunden ungedopt möglich sind. Es braucht Talent, jahrelanges (!) Training, Arbeit, Leidenschaft und Hingabe, das richtige Umfeld. Alle guten Leistungen unter Generalverdacht zu stellen, ist ungerecht, unbegründet und falsch!

Ich bin stolz, in einem Sport zu sein, dessen Athleten es ablehnen, sich mit Leuten zu duellieren, die des Dopings überführt wurden. Ich wünsche mir, dass dieser Protest der (Tri)Athleten zu einer Kehrtwende im Sport führt: Weg von denen, die Erfolg und Profit um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Verluste wollen; hin zu denen, die da lieber einen Schritt/Tritt zu Gunsten ihrer Gesundheit und ihrer Integrität auslassen.

Jeder hat die Wahl: Sei manipulierbarer (!) Teil eines Netzwerks aus Lügen und Betrug ODER bleibe dir selbst und deiner Gesundheit treu und kämpfe für einen Sport, von dem du wollen kannst, dass ihn später einmal selbst deine Kinder mit Begeisterung betreiben!“

 

Quellen:

SPIEGEL-Gespräch: Triathletin Lisa Hütthaler über Netzwerke, Dealer und ein Leben mit der Lüge. Spiegel, Ausgabe 18/2009. (http://www.spiegel.de/spiegel/a-621732.html)

Blickpunkt Sport. Juli 2009, Bayrischer Rundfunk https://www.youtube.com/watch?v=zY-Auyho2mk

Emotionale Dopingdiskussion. Frankfurter Rundschau vom 14. Juli 2009 http://www.fr-online.de/doping/ironman-stadler-im-streit-emotionale-dopingdiskussion,1473470,2710046.html