Die letzten Stunden und das Finish

Hallo zusammen,

in der letzten Nacht ging es über die Apalachen. Insgesamt lagen acht nennenswerte Anstiege vor uns. Stephan und ich hatten gegen 2 Uhr morgens auf Thomas und Wolfgang übergeben. Sie hatten die ersten vier Hürden zu nehmen. Bereits am Tag zuvor war bei uns das große Rechnen angegangen. Nachdem wir uns kurzfristig mit den restlichen Kilometern verrechnet hatten und kurzzeitig auf eine Zeit unter 6 Tagen spekuliert hatten war uns bis dahin schon klar, dass die falsch berechneten Kilometer dies nicht möglich machen würden. So deutete die aktuelle Hochrechnung wie schon zur Mitte des Rennens auf eine Finish Time zwischen 20 und 21 Uhr hin, was eine Zeit von unter 6 Tagen 6 Stunden bedeutete. Vor den Apalachen war unsere Durchschnittsgeschwindigkeit auch auf über 20,3 Meilen pro Stunden angewachsen. Dass die Apalachen Schnitt kosten würden war uns klar – aber wieviel?

Im Laufe der letzten beiden Tage häuften sich auch die kleinen Fehler oder technischen Ausfälle, die immer wieder Zeit kosteten – wenn auch zum Glück nie besonders viel. So hatten wir diverse Navigationsfehler und waren kurzfristig auf den falschen Strecken. Da auch drei von fünf Garmin Rad-Navigationsgeräte inzwischen ausgefallen waren, waren die Fahrer vollkommen auf die Anweisungen aus dem Auto angewiesen. Der Schlafmangel tat hier das übrige. Die Fahrer standen unter Strom und gaben alles um das Tempo hoch zu halten – schließlich galt es ja auch an jeder Timestation zu kontrollieren wie groß der Abstand auf die Iren ist und natürlich wie die aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit sei. Und unter dieser Anspannung bei gleichzeitigen dünnen Nervenkostüm wegen des Schlafmangels ging man schon mal hoch wenn kleine Fehler passierten. Auch das gegenseitige Pushen der Fahrer in den zwei Teams wurden dann schon einmal leichtfertig als Kritik aufgenommen. Es wurde wirklich Zeit dass wir ins Ziel kommen würden.

Die Apalachen zogen sich länger als geplant. Stephan und Norbert übernahmen im Morgengrauen und hatten vier kürzere aber nennenswerte Anstiege noch vor sich. Doch es entpuppten sich diese nicht als das wirkliche Problem. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war auf 19,99 Meilen/Stunden gefallen. Das hört sich als leicht korregierbar an – bei den vielen zurückgelegten Meilen ist das aber nicht so einfach. Und das weitere Gelände hatten wir unterschätzt. Die rollenden Hügel entpuppten sich als steile kurze Rampen und das Rad wollte so gar nicht mehr laufen. Erst auf den letzten 150 Kilometern sollte das Gelände nochmals richtig zum Rollen einladen. Diese 150 Kilometer wurden nochmals unter den zwei Teams aufgeteilt und jetzt holten die Fahrer wirklich das Letzte aus den Beinen.

Nach dem letzten Wechsel auf Stephan und Norbert planten diese bis ins Ziel alle 10 Meilen untereinander zu wechseln. Es war schwül und hatte 35 Grad. Als ich dann von Stephan übernommen hatte war es dann soweit, zum ersten Mal in dieser Woche kamen wir in Regen und zwar in ein kurzfristiges heftiges Gewitter. Doch das war mir in dem Moment egal. Das Synonym für schlechtes Wetter – der Powerman in Zofingen ist doch mein Wohnzimmer. Doch die letzten Kilometer Richtung Ziel, die eigentlich irre gut liefen, wollten nicht gut laufen. Noch ein kleiner Verfahrer der beinahe viel Zeit gekostet hätte, da ich vollkommen navigationslos das Auto verloren hatte und  fast auf die Autobahn gefahren wäre. Im letzten Moment konnte mich Jörg aus dem Auto stoppen. Dann ständig rote Ampelt und wir waren mitten im Berufsverkehr am Freitag abend. Herzlichen Glückwunsch. Das sah dann so aus, dass man losfuhr, vollkommen Anschlag drückte um 1-2 Meilen später wieder an der roten Ampel zu stehen. Ich wurde aus dem Auto gefragt ob ich noch mehr als die geplanten 10 Meilen machen könne. Ich bejahte, forderte aber eine Cola, da mir wegen Unterzucker schon schummrig wurde. Ich forderte Jörg auf sich meinen Oberschenkel anzusehen, der im Stehen zitterte.

Weiter ging es – ständig zwischen fahren, halten und auf die Uhr sehen.

Noch ein Wechsel auf Stephan. Nach dem erneuten Nachfragen bei Jörg wie weit es noch sei, sagte ich Stephan, dass wir es schaffen… An einer erneuten roten Ampel stieg auch ich wieder aus dem Begleitfahrzeug und Stephan und ich rollten gemeinsam Richtung letzter Timestation und der Shell Tankstelle an der das Rennen offiziell beendet werden würde. Hier warteten Thomas und Wolfgang auf uns. Um 20.34 Uhr gab Jörg die letzte Meldung an die Timestation. 6 Tage – 5 Stunden – 25 Minuten. Ein Schnitt von 20,03 Meilen in der Stunde oder 32,2 km/h. Und das unter Einberechnung aller Standzeiten bei Wechseln und roten Ampel, dem Halten an allen Stopp Schildern und nachdem wir 30.000 Höhenmeter überwunden hatten. Dies hatten wir im Vorfeld nie für möglich gehalten.

Die letzten 5 Meilen von der Tankstelle zur Finishline wird man hier von einem offiziellen Fahrzeug eskortiert. Irgendwie ist dies hier alles ziemlich ernüchternd. Emotionen kamen bei mir keine auf. Die größten Emotionen hatte ich als Thomas und Wolfgang die letzte Schicht fuhren – also 150 Kilometer vor dem Ziel und Thorsten im Wohnmobil echt geile Mucke auflegte.

Aber wenn man sich die Bilder vom Ziel ansieht – dem Strahlen in den Augen der Crew, diese Freude, wie Jörg sich die Tränen verdrückt, dann weiß ich was wir hier GEMEINSAM getan haben. Der Sprung ins Hafenbecken ist dabei schon ein obligatorisches Ritual. Wir haben das RAAM gerockt, wir haben die USA gerockt. Irgendwie kann ich diese Gedanken noch immer nicht in Worte fassen…

 

Euer

Norbert

 

Dieser Blog Eintrag wurde präsentiert von Glapor

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