Berufsurlaub
Inzwischen bin ich schon über acht Wochen auf Lanzarote. Einige meiner Freunde nennen mich deswegen schon einen Berufsurlauber. Alternativ Poolboy. Hauptsächlich deswegen, weil ich bei meinen unzähligen Stunden im und am Pool so braun geworden bin, dass man mir angedroht hat, bei meiner Heimkehr nach Deutschland meine Hautfarbe mit verschiedenen Bleichmitteln wieder auf mitteleuropäisches Normalmaß anpassen zu wollen.
Natürlich ist es ein Privileg, diesen dunklen, unendlichen Winter in der Wärme Lanzarotes verbringen zu dürfen. Dennoch sind die Tage hier so ausgefüllt mit Training, Technikanalysen, Video-Auswertungen und Anleitungen zur richtigen Bewegungsausführung, dass für Urlaub oder Freizeit kaum Platz bleibt. In den zurückliegenden acht Wochen kam ich noch nicht einmal dazu, eine der Sehenswürdigkeiten hier auf der Insel zu besuchen. Weder für das Haus Manriques, noch die Lavahöhlen, noch zum Wellenreiten in Famara hat es gereicht. Und auch Schirrmachers Ego liegt kaum angelesen auf dem Nachttisch. Was nun beileibe nicht, wie man ja auch meinen könnte, an den Schreibkünsten Schirrmachers liegt.
Immerhin haben wir hier endlich, endlich ein gutes Cafe in der Nähe gefunden. Und auch ein Lieblingsrestaurant. Seitdem spielen sich unsere regenerativen Aktivitäten – Rumsitzen und Essen – hauptsächlich in diesen beiden Lokalitäten ab.
Im Casa Matilda gibt es hervorragenden Espresso, perfekte Crema(!), runder Geschmack – und dazu eine reichliche Auswahl von selbstgemachten Kuchen. Vor allem echten Apfelstrudel und unglaublich guten weißen Tiramisu. Das Cafe befindet sich in einem kleinen Innenhof, in dessen Mitte ein riesiger Gummibaum steht. Hier sitzt man erstaunlich ruhig, windgeschützt, und vollkommen unbehelligt von den jetzt über Ostern sehr zahlreich eingefallenen Touristen. Schwer fällt es, sich dann wieder vom Kuchenbuffet loszureißen und für die dritte Einheit am Tag aufs Rad zu schwingen.
Lieber würde ich direkt vom Nachmittagskaffee zum Abendessen wechseln. Mr. Romeo heißt unser Lieblingsrestaurant. Natürlich sagen wir das mit Überzeugung, denn wir haben hier eine gründliche (und leider auch kostspielige) Evaluation aller Speiselokale in Costa Teguise durchgeführt. Es ist ebenfalls in einem Innenhof gelegen, gar nicht weit entfernt vom Casa Matilda und stilvoll in Blautönen eingerichtet. Es gibt knusprige Pizzen mit dünnem(!) Boden, selbstgemachte Penne und Ravioli, frischen Fisch und hervorragende Steaks. Interessanter Weise habe ich bisher nur Frauen dort arbeiten sehen. Mr. Romeo selbst habe ich noch nicht kennen gelernt. Oder gibt es am Ende gar keinen Mr. Romeo? Und der Name des Restaurants wäre nur der verklausulierte Wunsch der Besitzerin nach einem solchen? Wie die Sache auch immer gelagert sein mag: Den Kochkünsten der Köchin hat es bisher keinen Abbruch getan.
Es gibt einige Dinge, die wir nach unserem Berufsurlaub vermissen werden. Der Espresso im Casa Matilda und die Pizza im Mr. Romeo gehören definitiv dazu. Die Sonne und Wärme Lanzarotes auch. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es auch in Deutschland irgendwann Sommer wird.
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Jo Spindler ist Triathlon-Profi und seit 2011 Headcoach des teamTBB Germany. Er konnte in seiner Karriere 5 Langdistanzrennen gewinnen. Als Coach wurde Jo von der Trainerlegende Brett Sutton ausgebildet. Jo trainiert Athleten aller Leistungsklassen. Homepage und Kontakt: www.jospindler.com