Sicher kennen Sie dieses Problem: Es ist Winter, die Tage sind kalt, nass und kurz. Sie haben sich für das kommende Jahr viele sportliche Ziele gesetzt, die einen ganzjährigen Trainingsaufbau erfordern, auch über den Winter. Das Training läuft zunächst gut, doch plötzlich sind sie da: Die Vorboten einer Erkältung.

Es kratzt diskret im Hals, unbewusst ziehen Sie den Schleim in der Nase hoch – und was war das? Ein Hüsterchen etwa? „Nein“, sagen Sie sich, „alles halb so schlimm.“ Mit einem unguten Gefühl gehen Sie noch ein Ründchen joggen, doch schon am nächsten Morgen hängen Sie völlig daneben. Husten, Schnupfen, Heiserkeit – schon sehen Sie Ihre Felle davonschwimmen. Und die Konkurrenz im Sommer davonlaufen…

Erkältungen (die in der Fachsprache der Mediziner „common colds“ heißen) sind Infektionen, die die Schleimhäute der Atemwege (Nasen-Rachen-Raum, Bronchialsystem, Lungen), die Mittelohrhöhle oder auch den Harntrakt betreffen. Auslöser sind meisten Viren, seltener Bakterien (s. Kasten). Die Bezeichnungen „Erkältung“ und „Grippe“ werden oftmals synonym gebraucht, was so nicht richtig ist: Erkältungen verlaufen in der Regel harmlos und sind (ob mit oder ohne Therapie, wie Kritiker schmunzelnd behaupten) nach wenigen Tagen ausgestanden. Die Grippe dagegen ist eine vor allem bei älteren Menschen ernstzunehmende Infektionskrankheit durch das Influenza-Virus, die sich über mehrere Monate erstrecken kann.

VIREN
Viren sind kleinste Partikel, die ohne „fremde Hilfe“ nicht vermehrungsfähig sind. Für die Reproduktion sind Viren nämlich auf die Replikationssysteme der Zellen angewiesen. Viren bestehen grob gesehen nur aus einer Erbinformation (DNA oder RNA), die von einer Hülle umschlossen wird. Ist eine Zelle von einem Virus infiziert, setzt dieses die Erbinformation im Inneren frei. Die Enzyme der Zelle vermehren einerseits diese DNA- oder RNA-Stränge, andererseits übersetzen sie deren Informationen und setzen neue Hüllenbausteine zusammen, in die wiederum die Erbinformation eingeschleust wird. Im letzten Schritt gibt die Zelle die so entstandenen neuen Viren an die Umgebung ab, wobei sie selbst zu Grunde gehen kann.

BAKTERIEN
Bakterien brauchen im Gegensatz zu den Viren keine menschlichen Zellen als „Leihmutter“. Um sich aber vermehren zu können, sind sie auf ein gewisses Umgebungsmilieu und Angebot an Nährstoffen angewiesen. „Humanpathogene“ Bakterien benötigen zum Beispiel für eine optimale Vermehrungsrate eine Umgebungstemperatur, die nahe bei der Körperkerntemperatur des Menschen in der Größenordnung von 37 °C liegt. Bakterien können sich aber auch prima auf Nährsubstanzen vermehren, in denen die benötigten Inhaltsstoffe vorliegen und die im Brutschrank auf die optimale Temperatur gebracht werden.

URSACHEN EINER ERKÄLTUNG
Damit sich bei einem Menschen die Symptome einer Erkältung zeigen können, müssen mehrere Faktoren vorliegen: Neben den Viren und Bakterien, die dem gesunden und immunstabilen Menschen meistens nichts anhaben können, muss eine gewisse Disposition vorliegen. So ist die Schwächung des Immunsystems eine wichtige Voraussetzung. Diese kann global oder lokal vorliegen.

Globale Immunschwächen können die verschiedensten Ursachen haben: Übermäßiger Stress, Schlafmangel und Fehlernährungen sind die häufigsten Belastungsfaktoren, die das Immunsystem „zum Kippen“ bringen können. Auch intensives körperliches Training, sehr lange Ausdauerläufe oder harte Wettkämpfe öffnen das Fenster für Viren und Bakterien – die Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang daher vom „Open-Window-Effekt“. Auch chronische (Krebserkrankungen, Diabetes oder die speziellen Immunschwächekrankheiten) oder akute Erkrankungen (Operationen, andere Infekte) können das Immunsystem schwächen. So ist es zu erklären, dass im Verlaufe einer Erkältung oftmals auch ein Herpes (Lippenbläschen, hervorgerufen durch das Herpes-simplex-Virus I) als Zeichen der allgemeinen Immunschwächung auftritt.

Lokal, also in direkter örtlicher Nähe zum späteren Krankheitsgeschehen, kann das Immunsystem zum Beispiel durch eine Minderdurchblutung geschwächt werden. Da der Körper über die Blutversorgung der Körperoberfläche den Wärmeabtransport aus dem Körperinneren regulieren kann, wird in Kältephasen diese Durchblutung gedrosselt – so erklärt sich der Name „Erkältung“ für Infektionen der Atmungsorgane nach Kälteeinwirkungen. Festzuhalten bleibt aber, dass Kälte allein nicht ausreicht, eine Erkältung hervorzurufen, wenn die eigentlichen Erkältungserreger fehlen.

WAS TUN?
Wie sollten Sie sich verhalten, wenn Sie sich erkältet haben? Trainieren oder Pausieren? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach. Eine Forschungsgruppe um den Briten Stanford hat herausgefunden, dass moderates (!) Laufen bei einer leichten (!) Erkältung ohne schwere Allgemeinsymptome wie Fieber zu einer gewissen Besserung der Symptome führt. So kann eine vor dem Training verstopfte Nase nach der Belastung völlig frei sein. Andererseits müssen schwere Verläufe als absolute Kontraindikation für jegliche körperliche Betätigung angesehen werden. Wer mit einer schweren Infektion trainiert, riskiert sogar sein Leben: Viele der plötzlichen Todesfälle bei Leistungssportlern sind auf eine Herzerkrankung zurückzuführen, die auf einer durchgemachten Myokarditis (Herzmuskelentzündung als Folge einer Verschleppung der Bakterien vom eigentlichen Infektionsherd) beruht. Im Zweifelsfalle sollte daher gelten: Die Gesundheit geht vor!

Ist die Erkältung erst einmal ausgebrochen, dann ist es schon zu spät. Hier sind die wichtigsten Tipps und Tricks, wie Sie Ihr Immunsystem stärken können:

1. VERMEIDEN SIE MENSCHENANSAMMLUNGEN
Erkältungen entstehen nicht durch Kälte allein. Auslöser sind immer mehrere Faktoren, aber einer gehört immer dazu: Ein Erkältungserreger, ein Virus oder Bakterium, das sich auf oder in den Schleimhäuten von Menschen vermehren kann. Vermeiden Sie daher in den Zeiten so genannter „Grippewellen“ und eigener Immunschwächeperioden (nach langen Wettkämpfen, harten Trainingseinheiten oder in Stressphasen) große Menschenansammlungen. Die idealen Orte, sich Erkältungen zuzuziehen, sind schlecht belüftete Stadtbusse mit schniefenden, schnäuzenden und hustenden Menschen – Sie haben jetzt sicher auch das Bild der überfüllten Gefährte mit den beschlagenen Fensterscheiben vor Augen. Auch Kino- und Diskobesuche können in dieser Zeit mit einer tropfenden Nase enden.

2. SCHLAFEN SIE GENUG
Schlaf ist die wichtigste Phase zur Widerherstellung der Körperfunktionen. Wer an dieser Stelle spart, wird nach einiger Zeit seine Rechnung bekommen – vor allem, wenn diesem Defizit künstlich nachgeholfen wurde (Kaffee u.a.).

3. ERNÄHREN SIE SICH AUSGEWOGEN
Viele Inhaltsstoffe unserer Ernährung üben einen positiven Effekt auf das Immunsystem aus. Für die Vitamine A, E, beta-Carotin, C, B6 und Folsäure ist eine immunsstimulierende Wirkung beschrieben. Eine besondere Rolle spielen sicher auch die noch nicht lange beforschten sekundären Pflanzenstoffe. Forscher haben ferner herausgefunden, dass Kohlenhydratgaben während und direkt nach einer körperlichen Belastung einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben.

4. SETZEN SIE AUF DIE BEWUSSTE REGENERATION
Die richtige Nachbereitung des Wettkampfes ist im Winter am wichtigsten: Ein effektives „Cool-down“ ohne „Auskühlen“ ist zum Beispiel in einer Sporthalle oder in einem warmen Schwimmbad möglich. Die Effekte von Saunagängen sind umstritten: Der Temperaturwechsel wirkt sich positiv auf die Immunlage aus, der Flüssigkeitsverlust wirkt dem entgegen.

5. GÖNNEN SIE SICH TRAININGSPAUSEN
Die Höhepunkte der kommenden Saison sind noch weit entfernt. Übereifer im Training trotz beginnender Erkältungskrankheiten kann oft zum so genannten „Verschleppen“ oder einer Verschlimmerung der Symptomatik führen. Gönnen Sie sich eine Pause und machen Sie sich bewusst, dass viele Krankheiten als Warnsignal des Körpers bei drohender Überlastung verstanden werden müssen. Und denken Sie immer daran: Die wenigsten Ihrer Konkurrenten kommen ohne Erkältung über den Winter!

Frank Wechsel

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